Jahrbuch Optik und Feinmechanik 2014


Optische Betrachtungen zur Archäologie

Anjuschka Prenzel*

1 Einleitung


Bild 1. Bronzezeitliche Schmuckelemente mit symbolischer Darstellung des kosmischen Raumes [1] ____________________________________________________________

Wenn ich an die Menschen aus früheren Jahrtausenden denke, die Tag und Nacht am Feuer Wache halten, damit es nicht erlischt, so habe ich damit immer meine Probleme.

Was sollten sie eigentlich mit dem Feuer anfangen? Die Wiege der Menschheit war warm und trocken, und ehe ein Blitz einschlug, konnten Jahrzehnte vergehen, wenn überhaupt.

Immer wieder stoße ich in der Geschichte auf die Doppelaxt. Ob Mitteleuropa oder Mittelmeer, überall konnte dieses Motiv gefunden werden. Dieses Symbol, das mit Sonne und Feuer in Verbindung stand, musste für die Menschen von fundamentaler Bedeutung gewesen sein. Es war für sie der Schlüssel zu etwas Außergewöhnlichem, zu etwas, was nicht so ohne Weiteres zu ihren Fähigkeiten gehörte. Warum stellten die Menschen nicht Fische und Netze dar? Sie lebten doch schließlich von Wassertieren. Die Axt ist ein recht grobes Handwerkszeug; zum Beispiel für Krieger unentbehrlich. Als goldener Frauenschmuck eignet sie sich doch kaum. Und dann noch als Doppelaxt! Das Zeitalter, das schlichtweg Bronzezeit genannt wird, ist der beste Lieferant solcher Motive. Die damalige Welt wird ja nicht nur von Amazonen bevölkert gewesen sein.

2 Optische Symbole

Sicher wird es den Archäologen verwundern, dass seine Disziplin unter optischen Aspekten betrachtet werden kann. Aber noch mehr wird der Leser des Jahrbuches den Kopf schütteln und fragen, was nun die Archäologie in der Geschichte der Optik und Feinmechanik zu suchen hat. Der Beginn der Entwicklung der Optik ist nicht nur in der Neuzeit zu suchen, denn es ist erforderlich, tiefer zu schürfen.

Wir können sehen, dass Funde aus der Bronzezeit aufschlussreich die weit zurückliegenden gesellschaftlichen Verhältnisse beleuchten. Dies Zeit reicht wohlgemerkt bis in das 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. Es ist also eine spannende Sache zu ergründen, was das damalige Motiv dieser Kunst war. Ich habe auch ein kleines Experiment nachvollzogen und möchte es vorstellen. Und damit kommen wir endlich zur Optik.

 

 

 


Bild 2. Wird die Sphäre so gehalten, dass die Sonnenstrahlen schräg drauf fallen, kommt es zu einer Verzerrung des Strahlenverlaufs, auch als Diakaustik bezeichnet ____________________________________________________________

Also das war es, was die Menschen vor tausenden von Jahren so verehrt hatten! Sie verehrten die Technologie des Sammelns von Sonnenstrahlen mittels  lichtbrechungsfähiger Kristalle oder die, welche diese Technologie entwickelt hatten. Dieses die Reinheit symbolisierende Zeichen hatte also gewiss nichts mit Kampf und Todschlag zu tun.


Bild 3a. Durch Veränderung des Kontrastes ist der Strahlenverlauf rechts des Brennpunktes deutlich zu sehen, Bild 3b unten zeigt deutlich die aus dem Brennpunkt austretenden Strahlen ______________________________________________________________   


Wenn ich mir Artefakte aus Kreta anschaue, komme ich nicht umhin, darin Symbole für optische Gerätschaften zu erkennen. Hier einige Beispiele dafür.

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Bild 4. Funde von Zahlreichen Darstellungen im ägäischen Raum [1] ______________________________________________________

Wenn wir uns die 2. Figur von Bild 4 anschauen, so muss ich mich schon fragen, was für eine materielle Entsprechung dieses als himmlisches Zeichen „ausgelegte“ Symbol wohl hat? Schauen wir uns Figur 8 an, wird es noch spannender: Diese „Sonne über dem Horizont“ fällt erstens durch ihre als optische Fläche dargestellte Graphik auf. Dazu möchte ich ein Foto zeigen (siehe Bild 6), welches dieser Darstellung entsprechen könnte. Die 14. Figur kann wohl kaum eine Kriegerin darstellen, wie wir nun sehen (Bild 5).

Schauen wir uns Figur 8 noch einmal an, so haben deren „religiöse Symbole“ doch sicher etwas mit dem Lichtspenden zu tun, so wie die Sonne ihre Strahlen zerstreut. Denn der vermeintliche „Horizont unter der Sonne“ stellt das Erdenrund doch recht verkehrt herum dar.

 

 


Bild 5. Die Vergrößerung von Bild 4 Figur 14 zeigt, dass Äxte ganz anders in den Händen gehalten  würden [1] _____________________________________________________________


Bild 6. Das Brechungsmuster dieser Sphäre lässt deutlich auf die Form schließen

Haben wir nun einmal dieses Feld betreten, so ist der Blick geschärft, um noch weiter auf Entdeckungsreise zu gehen.


Bild 7. Diese Symbole kommen aus Ägypten, Kanaan, Kleinasien, Griechenland und Mitteleuropa [1] ____________________________________________________


Bild 8. Symbole vergrößert [1] ________________________

Hier sehen wir deutlich die materielle Entsprechung der hochentwickelten Vorstellungswelt der Menschen in ferner Vergangenheit, ihre vielleicht technische Auseinandersetzung mit kosmischem Wissen oder den Ausdruck dessen, womit sie durch ihre Verbindung zum „Himmlischen“ konfrontiert wurden.

Das Anch-Zeichen (Figuren 6,26, 36 von Bild 7) kommt nicht nur in Ägypten vor, es ist beispielsweise auch in Kanaan und Kleinasien zu finden. Dieser Lebensschlüssel erinnert mich an das Doppelaxtmotiv. Betrachten wir nur die Schleife und den vertikalen Balken, so ähnelt er einem Spermium. Zusammen mit der „Doppelaxt“ erhalten wir vielleicht die wahre Bedeutung für diesen Schlüssel: Ein unter einem Mikroskop betrachtetes Spermium!


3 Schlusswort

Sicherlich könnten wir noch viel mehr  aus den Symbolen herausholen, doch das würde den Rahmen dieses kleinen „Denkanstoßes“ sprengen. Allein schon die oberflächliche Betrachtung der Artefakte zeigt uns sehr einprägend, wie wichtig diese Kontemplation von tatsächlichen Erfahrungen für die Menschen war. Das  Auffinden dieser Symbole in Begräbnisstätten von Frauen, aus kostbarem Material gefertigt, verdeutlicht die große Wertschätzung bei den Menschen. Die persönliche Hoffnung auf die Verlässlichkeit der sie Benutzenden wird durch die Immanenz der Symbole ausgedrückt.

Quellen

[1] Hermann Müller-Karpe, Religionsarchäologie: Archäologische Beiträge zur Religionsgeschichte, Verlag Otto Lembeck, 2009.

[2] Robert Temple, The Crystal Sun, Century Books, London, 2000.



* Dipl.-Ing. Anjuschka Prenzel, Optik-Labor Dr. Prenzel

Das Jahrbuch Optik und Feinmechanik 2014 ist zu bestellen unter: http://www.optik-verlag.com
Ältere Jahrgänge sind vorhanden.

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