Betrachtungen zu Optik in der Antike
Dieser Artikel wurde von mir für das "Jahrbuch für Optik und Feinmechanik 2012" geschrieben. Dieses Buch erscheint jährlich im "OPTIK-Verlag" und kann dort erworben werden unter:
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Betrachtungen zur Optik in der Antike
Bild 1: Abendhimmel mit Regenbogen [1]
2.Die Brechung des Lichts bei Aristoteles am Beispiel des Regenbogens
Bild 5. Die sieben Farben des Lichtes [5]
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Betrachtungen zur Optik in der Antike
Anjuschka Prenzel*
1.Einleitung
Wir leben in einer Zeit, in der naturwissenschaftliche und
technische Forschung selbstverständlich sind. Doch blicken wir in die
Geschichte zurück, so ist zu sehen, dass es im Wesen des Menschen steckt, sich
forschend um nicht so ohne weiteres zu erklärende Ereignisse in der Natur zu
bemühen. In diesem Artikel möchte ich weit zurückgreifen und einen
griechischen Kollegen aus dem Altertum zu Wort kommen zu lassen. Sicherlich
können seine Ausführungen mit den exakten Beschreibungen der physikalischen
Gesetze aus unserer Zeit nicht standhalten. Doch müssen wir bedenken, dass es
vor Jahrtausenden wenig Hilfsmittel für beweisende Versuchsaufbauten gab; und
waren sie schon ansatzweise vorhanden, so konnten sie doch nur einfache
Ergebnisse liefern. Am
Beispiel der Lichtbrechung möchte ich diesen Sachverhalt erläutern. Dabei
beziehe ich mich auf die Erläuterungen des Aristoteles zum Regenbogen.
2.Die Brechung des Lichts bei Aristoteles am Beispiel des Regenbogens
2.1. Einführung
Um zu verstehen, bis zu welchem Ergebnis Aristoteles bei
seinen Untersuchungen kam, möchte ich eine kurze Einführung über die
physikalischen Verhältnissen geben, welchen die Brechungsgesetze des
Lichts zwischen den Grenzflächen von Luft und Wasser zugrunde liegen. Trifft Licht auf den Übergang von Luft auf Wasser, so wird
ein Teil reflektiert, ein anderer Teil geht in das Wasser über und wird gebrochen.
Bei diesem Vorgang kommt es zur Dispersion des Lichtes, d. h. das weiße Licht
wird in sein farbiges Spektrum zerlegt. Da
es bei jeder Refraktion des weißen
Lichtes immer auch zur Reflexion kommt, entstehen durch die verschiedenen
Wellenlängen der Bestandteile des weißen Lichts Interferenzen, welche das
farbige Spektrum, die Dispersionsfarben erkennen lassen.
Bild 2. Grafische Darstellung des
Lichtstrahlenverlaufes an Grenzflächen von zwei unterschiedlich
lichtdurchlässigen Stoffen [2]
2.2. Disput mit Aristoteles
Doch kommen wir nun zu Aristoteles. Eine Lehrschrift von
1847, welche 1955 überarbeitet wurde (Genaues findet sich im Anhang [3]), erweckte
mein Interesse. Ich möchte mit einem Zitat von Aristoteles aus o. g. Schrift
beginnen.
„Denn jedes der Teilchen, deren Zusammenschluss
den Tropfen gibt, muss ja ein besserer Spiegel sein als der Schwaden. Und es
ist ja auch klar und wurde schon erwähnt, dass in solchen Spiegeln nur die Farbe erscheint, während die Gestalt
undeutlich bleibt. Daher muss also, wenn es beginnt zu regnen und die Luft in
den Wolken sich schon zu Tropfen verdichtet hat, der Regen aber noch nicht da
ist und die Sonne noch gegenübersteht oder etwas anderes mit entsprechender
Leuchtkraft, so dass die Wolke als Spiegel wirkt, auch die Brechung zu jener
Lichtquelle hin nach rückwärts erfolgen, und dabei muss die Farbe sich spiegeln
an Stelle der Gestalt.“
Bild 3. Aristoteles (384-322 v. Chr.) [4]
An dieser Stelle möchte ich meine Bewunderung darüber zum
Ausdruck bringen, mit welcher Mühe und Bereitwilligkeit Aristoteles seine
Erkenntnisse dem Leser nahe zu bringen versucht. Heutzutage wird sehr viel mit
Mathematik und Errungenschaften der Naturwissenschaften erklärt. Dem Lernenden
wird es mit einem „Formelwerk“ ohne beschreibende Worte sicher nicht leicht
gemacht, was schon an Geheimwissenschaft grenzt. Aristoteles spricht dazu
weiter.
„Da aber jedes der Spiegelchen klein und
unerkennbar ist, man aber durch Mitwirkung aller eine zusammenhängende Größe
sieht, so muss also dieselbe Farbe in stetiger Größe erscheinen. Denn jedes
Spiegelchen gibt dieselbe Farbe wieder wie das benachbarte. Da dies so
erscheinen kann, wenn die Sonne die angegebene Stellung zur Wolke hat und wir
uns dazwischen befinden, so wird durch die Spiegelung eine Erscheinung zustande
kommen. Und wirklich erscheint unter diesen Voraussetzungen und niemals anders
ein Regenbogen.“
Es ist verblüffend, wie deutlich hier das Wissen über die
Wirkungen der Lichtbrechung und Spiegelung am Beispiel des Wassers in der
Atmosphäre erklärt wird. Die gängige
Meinung, dass Aristoteles nur die ganze Wolke in Betracht zog und nicht die
einzelnen Wassertropfen, wird meiner Meinung nach hier in Frage gestellt. Bei dieser Übersetzung sehe ich auch keinen Grund zu der
Annahme, dass er mit dem Begriff Spiegelung nur die eine Eigenschaft des
Lichtes meint, an ebenen Flächen durch Reflexion „Spiegel“bilder zu erzeugen
und die Reflexion völlig außer Acht gelassen hat. Zwar verwendet er diese
Begriffe nicht, doch wie sollte er sonst
die Sichtbarkeit des Phänomens an den Grenzflächen zwischen Wasser und Luft
erklären. Er verwendet zwar nicht die Begriffe Reflexion und Brechung, doch das
Geschehen an den Wassertropfen in seiner Darstellung muss diesen Vorgang
beinhalten, denn schließlich hat
Aristoteles Farben gesehen und nicht viele kleine Sonnen im Kreisbogen.
„Dass also der Regenbogen eine Spiegelung des
Sehstrahls zur Sonne hin ist, ist klar. Daher erscheint er auch immer der Sonne
gegenüber.“
Aristoteles verwendet hier den Begriff „Sehstrahl“, welcher nach meiner Ansicht, die
Bezeichnung des Strahles ist, der von einem Körper ausgeht und der es
ermöglicht, dass wir den Körper
betrachten können. Das verstehen alter Schriften hängt
selbstverständlich auch von einer guten Übersetzung ab, ich denke, wir haben
hier eine gute vor uns. In den folgenden Ausführungen des Aristoteles erfahren wir
den atemberaubenden Stand seines Wissens über die Lichtbrechung und Spiegelung
innerhalb der Erscheinung des Regenbogens.
„[...,] daher erscheint der Regenbogen in drei
Farben, und zwar jeder von den beiden, nur in verkehrter Reihenfolge, der erste
hat das Purpurrot außen, weil vom größten Kreis die meisten Sehstrahlen zur
Sonne hin geworfen werden und der äußerste Kreis der größte ist, entsprechend
der nächste und der dritte.“
Aristoteles verwendet nicht das Wort „Brechung“ sondern
„Wandlung“. Es kommt auch zum Ausdruck,
dass er wusste, dass das Purpurrot außen am wenigsten “gewandelt“, d.h.
gebrochen wird und der zweite Regenbogen die Spiegelung des ersten ist, d.h.
des inneren. Er sagt dazu „Verdoppelung“.
In den nächsten Zitaten kommt Aristoteles zu den
modernsten Aussagen.
„Solange also die Sehkraft noch stärker ist,
wandelt sie Weiß in Purpurrot, aber auf der folgenden Stufe ins Grüne, und wenn
sie noch schwächer wird, ins Violette. Dann hört die Sichtbarkeit auf, vielmehr
hat es bei drei Schritten, wie so vieles, so auch hier sein Bewenden. [...,]
daher erscheint der Regenbogen in drei Farben, [...].
Deutlicher
kann seine Erkenntnis über die Grundfarben Rot, Grün und Blau nicht zum
Ausdruck kommen. Dazu habe ich schöne Darstellungen gefunden:
Bild 4. Farben des Regenbogens [5]
Bild 5. Die sieben Farben des Lichtes [5]
Bild 4 vermittelt eine anschauliche Darstellung zu den Beschreibungen des Aristoteles über
den Farbverlauf im Regenbogen. Schauen wir in die übersetzte Schrift, so
klingen die Aussagen etwas verworren. Er möchte damit zum Ausdruck bringen,
dass die Sättigung der Farben an den Übergängen abnimmt bis hin zum Weiß. Nach
seiner Ausführung, dass der Regenbogen nur drei Farben haben kann, erfolgt die
Erklärung, wie die anderen sich herausbilden.
„Das Gelb erscheint nur deswegen, weil wir
diese Farben nebeneinander sehen; denn Rot neben Grün erscheint hell, was
dadurch bewiesen wird, dass in der dunkelsten Wolke die Regenbogenfarben am
reinsten sich ausbilden und gerade dann das Purpurrot besonders gelb erscheint.
Das Gelb im Regenbogen liegt aber immer zwischen der roten und grünen Farbe.
Gegen die dunkle Wolke hebt sich nunmehr das ganze Rot des Bogens hell ab, da
es dagegen weiß wirkt.“
In Bild 4 sehen wir deutlich die Abschwächung der Farben
bis zum Weiß hin.
Sicherlich, Aristoteles beschreibt seine Erkenntnisse
nicht in Nanometern und Winkelverhältnissen. Über den Wellencharakter und
Interferenzerscheinungen hat er sich hier nicht geäußert. Und doch hat er
Beachtliches durch seine Beobachtungen geleistet. Die Bibliothek der Alten
Griechen ist sehr groß, doch ist sie denn vollständig? An dieser Stelle möchte ich noch den Mondregenbogen
erwähnen. Aristoteles kannte diese Erscheinung.
„Und am Tage sieht man den
Regenbogen, nachts dagegen sollte, wie die Alten meinten, vom Monde her sich
keiner bilden. Zu dieser Meinung kamen sie nur, weil es so selten vorkommt: sie
merkten es nur nicht, aber hin und wieder ist einer zu sehen. Der Grund für die
Seltenheit ist der, dass man in der Dunkelheit die Farben schwer sieht und dass
soviel günstige Umstände zusammentreffen müssen, und zwar nur an
einem Tage im Monat; Vollmond nämlich muss es
sein, wenn die Erscheinung zu sehen sein soll, und er muss auch gerade auf-
oder untergehen. Daher ist sie (die Erscheinung, A. d. V.) auch in fünfzig
Jahren nur zweimal vorgekommen.“
Und jetzt kommt die Kernaussage:
„Dass der Sehstrahl wie von
Wasser so auch von Luft gebrochen wird und von
allem, was eine glatte Oberfläche hat, davon muss man sich durch die Beweise
zur Optik überzeugen lassen.“
Was sind diese „Beweise“? Es können doch nur Experimente
sein. Möglicherweise wurden sie bei Disputen vorgeführt. Es wurde damals sicher
auch nicht alles niedergeschrieben.
Bild 6. Mondregenbogen [6]
Die
hellen Lichtverhältnisse in Griechenland begünstigen sicher die
Erscheinung eines farbigen
Mondregenbogens, bei uns wäre er möglicherweise nur sehr fahl zu sehen.
3. In der Zeit des Aristoteles
Die vorchristliche Zeit, ungefähr im 500. Jahrhundert v.
Chr. war durch die Herausbildung der
griechischen Philosophie besonders geprägt. Die Erkenntnisse der Philosophen
dienten nicht nur als geistige Grundlagen zur Herausbildung von Staatsformen, sondern
spezialisierten die Untersuchungen. Es entstanden die Vorläufer der heutigen
Wissenschaftsgebiete.
Aristoteles nahm dabei eine herausragende Rolle ein.
Nachdem er Alexander den Großen erzogen hatte, gründete er in Athen eine eigene
Schule mit Wandelgang, den Peripatos. Auch dies zeigt die Großartigkeit dieses
Mannes, welcher genau über das Wechselverhältnis von Bewegung und Kommunikation
Bescheid wusste. Ich hoffe, dass ich mit
diesem kurzen Beitrag die Neugierde auf diesen Philosopen geweckt habe. [7]
Quellennachweis
[1] Eigene Quelle
[2] http://www.seilnacht.com/Lexikon/Licht.htm#Interferenz,
Uhrheberrecht: T. Seilnacht
[3] Dr. Paul Gohlke Hrsg., „Aristoteles Meteorologie“,
Ferdinand Schöningh, Paderborn 1955
[4] Pierre Marchand Hrsg., „Die Zeit der Ägypter und
Griechen“, Bertelsmann Lexikon Verlag GmbH, Gütersloh/München 1992
[5] http://www.johannes-leckebusch.de/Farben/Farbkreise.htm
[6] www.kryptozoologie-online.de/ Forum/viewtopic....
[7] Das Neue Große Illustrierte Lexikon, Christoph
Columbus Verlags AG, Lexikographisches Institut, München
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